Die im Kantonsrat beschlossene Gesetzesänderung erschwere es, Sozialhilfebetrüger zu überwachen, kritisiert der Adliswiler Stadtrat.

Keine andere Gemeinde in den Bezirken Horgen und Meilen hat verhältnismässig so viele Sozialhilfebezüger wie Adliswil. 2018 bezogen in der Sihltalstadt 3,6 Prozent aller Einwohner Sozialhilfe. Entsprechend viele Fälle hat das Verwaltungsressort Soziales zu bearbeiten. Nun sollen der entsprechenden Behörde Kompetenzen entzogen werden. Dagegen will sich der Adliswiler Stadtrat wehren, wie er am Donnerstag in einer Medienmitteilung schrieb.

Auslöser ist die Änderung des kantonalen Sozialhilfegesetzes, welche Mitte Juni vom Kantonsrat beschlossen worden ist. Zusammen mit mindestens 16 anderen Zürcher Gemeinden ergreift Adliswil gegen diese Änderung das Gemeindereferendum. Von den Zürichsee-Gemeinden zählt auch Oetwil dazu, wie diese Zeitung kürzlich berichtete.

Das Gesetz soll künftig eine rechtliche Grundlage schaffen, die unter anderem den Einsatz von Sozialdetektiven regelt. Adliswils Sozialvorsteher Renato Günthardt (SVP) sagt, eine kantonsweit einheitliche Regelung sei zwar begrüssenswert. «Aber in der vorliegenden Form ist das Gesetz ein zahnloser Tiger.»

«Die falsche Instanz»

Günthardt spricht dabei insbesondere den Punkt an, dass gemäss Gesetzesänderung künftig der Bezirksrat anordnet, ob ein mutmasslicher Sozialhilfebetrüger observiert werden soll. In Adliswil liegt dies bislang in der Kompetenz der Sozialbehörde. Auch wenn solche Observationen durch Sozialdetektive höchstens drei- bis viermal im Jahr vorkämen, ist für Günthardt klar: «Der Bezirksrat ist die falsche Instanz für diese Entscheide.» Denn diese müssten schnell gefällt werden können, «damit sich ein Verdacht möglichst rasch bestätigen oder ausschliessen lässt». Der Umweg über den Bezirksrat verzögere und erschwere die Abläufe unnötigerweise. «Ausserdem kennt die Sozialbehörde die Fälle meist schon, der Bezirksrat hingegen muss sich zuerst einarbeiten.»

Hinzu komme, dass der Bezirksrat das Organ für die Aufsicht über die Gemeinden ist. Mit seiner neuen Befugnis würde er in laufende Verfahren eingreifen, die er im Falle eines Rekurses anschliessend selber beurteilen müsste. «Das ist rechtsfremd», sagt Renato Günthardt.

Ein Zeichen setzen

Noch bis am 18. Juli haben die Zürcher Gemeinden Zeit, das Gemeinderefendum zu ergreifen. Da es aber jetzt schon von mehr als 12 Gemeinden unterstützt wird, ist klar: Das Referendum kommt zustande. Das Stimmvolk des Kantons Zürich wird über die Gesetzesänderung abstimmen. Adliswils Unterstützung wäre also gar nicht mehr nötig gewesen. «Wir wollen damit ein Zeichen setzen», begründet Günthardt, «je mehr Gemeinden mitmachen, desto besser.»

Mit Fragen rund um die Überwachung von Sozialhilfebezügern hat sich Adliswil ohnehin schon länger und intensiver befasst als andere Gemeinden. Mit einer eigenen Observationsverordnung schuf die Stadt, abgesegnet durch das Parlament, vor zwei Jahren eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Sozialinspektoren. Sie regelt unter anderem, wie lange und mit welchen technischen Hilfsmitteln Observationen erlaubt sind. Ob diese Verordnung durch das geänderte kantonale Sozialhilfegesetz gänzlich ausser Kraft treten wird, ist laut dem Stadtrat noch unklar.