Sozialdetektive sollen weniger Kompetenzen haben als ursprünglich geplant. Die neue Mehrheit im Kantonsrat hat das so beschlossen. Jetzt wehren sich mehrere Gemeinden und verlangen ein härteres Gesetz.

Sozialdetektive sollen im Kanton Zürich eine klare rechtliche Grundlage haben. Eine entsprechende parlamentarische Initiative, mitunterzeichnet vom damaligen Kantonsrat Rico Brazerol (BDP, Horgen), wurde im März 2017 überwiesen. Hintergrund war ein Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der besagte, dass in der Schweiz die Grundlage für die Observierung von Versicherten einer privaten Unfallversicherung nicht ausreiche. Die Gesetzesänderung passierte im Juni denkbar knapp mit 88 zu 85 Stimmen den Kantonsrat. Die Mitte-links-Mehrheit hatte einige Änderungen vorgenommen. Die Abstimmung gewann sie sogar gegen die Stimmen der linken AL. Die SVP war gar nicht glücklich mit dem Ausgang und kündigte an, dagegen vorzugehen. Jetzt kommen mehrere Gemeinden der Partei zuvor.

Wie die NZZ berichtet, haben bereits 16 kommunale Exekutiven das Gemeindereferendum ergriffen. Damit ein solches zustande kommt, braucht es mindestens 12 Gemeinden. Entscheiden muss am Ende das Volk. Die meisten Gemeinden, die das Referendum bisher ergriffen haben, stammen aus dem Unterland. Wie aus einer amtlichen Publikation hervorgeht, ist aber auch Oetwil darunter. Die Gemeinde hat – auf die gesamte Bevölkerung aufgerechnet – am meisten Sozialhilfebezüger im Bezirk Meilen. 2018 betrug die sogenannte Sozialhilfequote 2,9 Prozent. In den Bezirken Meilen und Horgen lag die Quote nur in Adliswil höher mit 3,6 Prozent. Recherchen dieser Zeitung zeigen, dass weitere Gemeinden aus der Region diskutieren, das Referendum zu ergreifen. Die Frist läuft offiziell am 18. August ab.

Misstrauen gegenüber Gemeinden

Was spricht aus Sicht von Oetwil gegen die Revision? Der Gemeinderat spricht von zusätzlichem administrativem Aufwand sowohl bei den Gemeinden als auch bei den Bezirksräten. Störend empfindet er vor allem die Regelung, dass Observationen durch den Bezirksrat abgesegnet werden müssen. Bisher konnten die Gemeindebehörden selber darüber entscheiden. Diese Regelung nennt der Gemeinderat «praxisfremd». «Observationen müssen bei einer veränderten Ausgangslage und einem konkreten Verdacht in der Regel rasch beschlossen und umgesetzt werden», schreibt der Gemeinderat in seinem Beschluss. Dieser Passus war ursprünglich nicht vorgesehen und erst im November 2019, also nach den Wahlen, durch die Grünen eingebracht worden. Der Beschluss des Kantonsrats «kommt einem Misstrauensvotum gegenüber den kommunalen Behörden und Verwaltungen gleich», so der Gemeinderat weiter.

Der Oetwiler Gemeinderat kritisiert noch weitere Änderungen. So sei es kaum mehr möglich, die Angaben der Sozialhilfebezüger zu überprüfen, weil die Observationen nur noch vom öffentlichen Raum aus gemacht werden dürften. «Es ist zukünftig beispielsweise nicht mehr erlaubt, mittels spontanen Hausbesuchs zu verifizieren, ob die gemachten Angaben zu Haushaltsgrössen der Tatsache entsprechen. Bereits das Betreten eines Treppenhauses in einem Wohnblock wäre nicht mehr erlaubt», hält der Gemeinderat fest.

Ausschaffung bei Betrug

Er erinnert auch daran, dass Sozialhilfebetrug in der Schweiz kein Kavaliersdelikt ist. Der Kantonsrat missachte klare Entscheide der Stimmbürger für ein entschlossenes Handeln gegen Sozialmissbrauch. Als Beispiel wird die Ausschaffungsinitiative genannt. Sozialhilfebetrug gilt seit der Annahme als Katalogdelikt, das eine Ausschaffung zur Folge hat, sofern kein Härtefall vorliegt.